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Positionspapier Druckdatei und Text

Positionspapier20230309_Druck-2

Positionspapier der Bürgerinitiative Schraienwiese Urbach zur Erstellung einer Gewerbeentwicklungsstrategie für Urbach

Flächenfraß ist keine Lösung unserer Probleme!

Keine Frage, die Region Stuttgart steht vor den Herausforderungen eines tiefgreifenden ökologischen und ökonomischen Wandels. Die Wirtschaft wird sich der Transformation hin zu nachhaltigen, modernen Technologien stellen müssen. Dass diese Prozesse nicht einfach sind, steht für uns außer Frage. Auch unsere örtlichen Betriebe sind davon betroffen.

Jedoch darf der Flächenhunger der Industrie in unserer Region auf keinen Fall so weitergehen, wie wir das in den letzten Jahrzehnten gewohnt sind. Wir verbrauchen täglich in Baden-Württemberg 6,2 ha neue Fläche, das sind 9 Fußballfelder (Stand 2021, Tendenz steigend!).

Dabei sind es Böden, die im bundesweiten Vergleich die beste Qualität haben, die wir täglich zubetonieren und damit unwiederbringlich zerstören. Wir nehmen uns täglich mehr Flächen weg, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden können. Längst tobt unter den Landwirten ein Kampf um die immer knapper und damit auch teurer werdenden Flächen. Nicht wenige Landwirte im Großraum Stuttgart geben genau deshalb ihren Betrieb auf, weil sie zu wenig Fläche haben bzw. die steigenden Pachtpreise nicht mehr bezahlen können. Viel mehr als die Industrie sind die Landwirte abhängig von genügend Fläche. Während Produktionshallen aufgestockt werden können und die Industrie in die Höhe bauen könnte, geht das bei Äckern, Feldern und Wiesen leider nicht- natürliche Fläche lässt sich nicht vermehren!

Wir haben jetzt schon eine Wasserknappheit durch ausbleibende Niederschläge, die Grundwasserspeicher sind bedenklich geschrumpft. Wo und wie soll sich Grundwasser neu bilden, wenn wir weitermachen mit der Versiegelung natürlicher Flächen?
Und umgekehrt, wo soll das viele Oberflächenwasser der vermehrt auftretenden Starkregenfälle hingeleitet werden, wenn wir wertvolle „Schwammflächen“ wie die „Au“ und die „Schraienwiesen“ zerstören?

Der Aussage, dass man Gewerbegebiete nachhaltig und klimaneutral bauen kann, setzen wir entgegen: Weder eine gute Begrünung noch ein intelligentes Regenwassermanagement sind ein gleichwertiger Ersatz für zusammenhängende natürliche Grünflächen mit Wassergräben, Busch- und Baumbestand und einer hohen Biodiversität! Ein Teil der Flächen in den Schraienwiesen hat FFH-Status und ist damit ein ökologisch wertvolles Biotop für Flora und Fauna. Viele von diesen Flächen haben wir in den letzten Jahrzehnten zerstört durch intensive Landwirtschaft oder Versiegelung. Für die bestehenden gilt ein Verschlechterungsverbot. Sie sind auf jeden Fall zu erhalten und zu schützen!

Erneuerbare Energie lässt sich genauso gut im Altbestand der bestehenden Gewerbebebauung erzeugen: Auf jedem Produktionshalle, jedem Bürogebäude und so gut wie allen Parkflächen lassen sich problemlos Photovoltaikanlagen installieren – dazu muss man kein neues Gebiet erschließen. Auch im Bestand lassen sich Synergien nutzen durch ein intelligentes und engagiertes Management und gute Vernetzung.
Die riesigen Parkflächen in Urbachs bestehender Gewerbebebauung könnten übrigens auch überbaut und die vielen eingeschossigen Produktionshallen aufgestockt werden. Sicherlich ist das aufwendiger und kostspieliger als das Bauen auf der grünen Wiese. Doch wenn wir so weitermachen mit dem Flächenfraß, werden uns die Folgen irgendwann wesentlich teurer zu stehen bekommen als die höheren Investitionskosten aufgrund des Umweltschutzes. Diese Probleme dürfen nicht kurzsichtig gedacht werden, sondern müssen in größeren Zusammenhängen betrachtet werden, weit in die Lebensqualität nachfolgenden Generationen hinein.

Dem Argument, mehr wohnortnahe Arbeitsplätze schaffen zu wollen, halten wir entgegen: Den 3.076 Auspendler*innen aus Urbach stehen 2.528 Einpendler*innen nach Urbach gegenüber (Quelle Statistischem Landesamt 2020). Damit hat Urbach ein sehr hohes Arbeitsplatzangebot und könnte theoretisch fast alle sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer*innen selbst versorgen. Wir glauben aber, dass auch in Zukunft die Menschen ihren Arbeitsplatz eher nachrangig nach dem Kriterium der Wohnortnähe auswählen werden. Vielmehr spielen doch die Rahmenbedingungen des Betriebs eine Rolle, ob der Arbeitsplatz passt. So wird es auch in Zukunft viele Aus- und Einpendler von und nach Urbach geben. Was sich vielmehr verändern muss, ist doch der motorisierte Individualverkehr hin zu nachhaltiger Fortbewegung.

Wenn wir hier im Ort mehr Arbeitsplätze schaffen, dann brauchen wir auch mehr Beschäftigte. Woher sollen wir sie nehmen? Schon heute ist die Konkurrenz um Fachkräfte unter den Betrieben aufgrund des Fachkräftemangels groß. Die Politik und Wirtschaft müssen aktiv im Ausland Menschen fürs Ländle anwerben („THE LÄND“). Neue Arbeitskräfte werden entweder als Einpendler*innen hierher fahren und damit mehr Verkehr erzeugen, oder sie müssen in Urbach untergebracht werden, und da kommt die Wohnungsknappheit ins Spiel. Schon heute reden unsere Mandatsträger*innen davon, dass weitere Wohngebiete benötigt werden und unser Ort mehr Einwohner*innen bekommen soll. Spätestens hier beißt sich die Katze in den Schwanz und der Teufelskreis beginnt!

Wir denken, dass es genug ist mit Urbachs Größe und nehmen die Sorge vieler Urbacher*innen wahr, dass mit weiterem Wachstum der ländliche Charakter, die Identifikation und der Zusammenhalt verlorengehen (wir haben aktuell etwa 9.100 Einwohner*innen, Tendenz steigend, da die Urbacher Mitte noch nicht vollständig bezogen ist. Zum Vergleich: im Jahr 2000 waren es 8.130 Einwohner*innen). Damit meinen wir übrigens nicht den Zuzug von Geflüchteten, die hier bei uns Schutz suchen, weil sie in ihrer Heimat ernsthaft an Leib und Leben bedroht sind, sondern das bewusste Ausweiten der Einwohnerzahl, vor allem in der oberen Mittelschicht, die sich neue Immobilien überhaupt leisten kann.

Sehr viele Urbacher*innen schätzen die ländliche, naturnahe Umgebung unseres Ortes. Der Freizeitdruck auf viele Gebiete ist jetzt schon enorm. Gemeinsam mit vielen Urbacherinnen und Urbachern finden wir unsere schöne Umgebung und den dörflichen Charakter unseres Ortes auf jeden Fall erhaltenswert!

Wir verstehen die Sorge unserer Mandatsträger*innen über die Finanzierbarkeit der großen kommunalen Herausforderungen, die in den nächsten Jahren anstehen. Die Aufgabenstellungen sind aber nicht neu. Dem Argument von mehr Steuereinnahmen durch mehr Gewerbe halten wir entgegen, dass wir hier die Erwartungen und Versprechungen für völlig überschätzt halten. Wenn man die Abzüge der Steuergewinne durch den kommunalen Finanzausgleich, sowie die Rücklagen berücksichtigt, die für die Instandsetzung und Unterhaltung der neu geschaffenen Infrastruktur gebildet werden müssen, bleibt am Ende weniger als 30 % des Zugewinns übrig – wollen wir dafür unsere wertvollen Naturressourcen opfern? Wenn wir die Finanzierung unserer kommunalen Aufgaben auf Kosten der Natur realisieren, wird uns das irgendwann mit Folgekosten einholen, die wir jetzt noch gar nicht abschätzen können. Deshalb muss hier viel langfristiger gedacht werden!
Dasselbe gilt für erhoffte höhere Steuereinnahmen durch mehr Einwohner*innen. Mehr Einwohner*innen brauchen mehr Infrastruktur und erhöhen die Ausgaben, statt sie zu senken. Viele Experten können das bestätigen (vergl. Dr.Thilo Sekol „Was am Ende bleibt“ https://schraienwiese.de/) Es kommt natürlich immer auf die Art und Weise an, wie man rechnet und was man weglässt.

Dem Argument, dass wir einen Wohlstandsverlust zu befürchten haben, wenn wir unseren Unternehmen keine neuen Flächen zur Verfügung stellen, erwidern wir: Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass wir beim Konsumieren in Zukunft alle ein wenig kürzer treten werden müssen, wenn wir uns ein gutes Leben erhalten wollen. Seit Jahren schon leben wir über unsere Verhältnisse, ganz besonders in unserer Region.
Kürzer treten bedeutet kein schlechteres Leben, im Gegenteil: Es bedeutet umzudenken und andere Wertmaßstäbe zu setzen, als den materiellen Reichtum im Überfluss anzustreben. Weniger Konsum, mehr Miteinander, weniger ICH, mehr WIR. Wir sind überzeugt, auch mit etwas weniger Wirtschaftskraft ist in unserer Region ein gutes Leben für alle möglich.

Und sollten einzelne Betriebe in Regionen abwandern, wo es mehr Platz und Arbeitskräfte gibt, dann könnte man das auch als „natürliche Regulation“ betrachten. Die Region Stuttgart ist im Zeitraum von 2010 – 2020 um 200.000 Menschen angewachsen – das ist die gesamte Einwohnerzahl der Stadt Esslingen. Wirtschaft und Politik rufen nach weiterer Zuwanderung. Wir denken, damit schafft man sich langfristig mehr Probleme als man kurzfristig behebt.

Wir sollten aus diesem Teufelskreis aussteigen und den Flächenverbrauch konsequent stoppen. Beginnen wir in Urbach – jetzt!

Urbach, März 2023
Bürgerinitiative Schraienwiese Urbach

Was können wir tun?
– Sprechen Sie die Gemeinderäte an! Noch ist endgültig nichts entschieden.
– Formulieren Sie Ihre Meinung auf einer Postkarte an den Gemeinderat, das geht auch anonym und werfen diese im Rathausbrifkasten ein. Postkarten können von unserer Homepage https://schraienwiese.de/ heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Bitte unterstützen Sie uns in diesem Anliegen!


Kontakt: E-Mail an
Konto: Volksbank Stuttgart
Rudolf Wrobel

IBAN DE45 6009 0100 0607 3180 23
Verwendungszweck: BI Schraienwiese

http://www.schraienwiese.de