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Vortrag von Prof. Dr. Willfried Nobel bei der Kundgebung an der Traktordemo am 1.7.2023

BI Schraienwiesen Urbach

Traktordemo und Kundgebung am 1. Juli 2023 in Urbach

Willfried Nobel. LNV-Referent für Flächen- und Bodenschutz. Talstr. 45, 70794 Filderstadt.

Stand: 27.06.2023

Schraienwiesen erhalten – NEIN zum geplanten Gewerbegebiet

  1. DILEMMA
  • Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist ungebrochen

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche entsprach im Jahr 2021 einem Anteil von 14,8 Prozent an der gesamten Landesfläche. Sie nahm damit nach Feststellung des Statistischen Landesamts gegenüber dem Vorjahr um 2.280 Hektar zu. Dies entspricht einer Größenordnung von rund 3.250 Fußballfeldern. Nach den Ergebnissen der Flächenerhebung ergibt sich für das Jahr 2021 rein rechnerisch ein täglicher „Flächenverbrauch“ für Siedlungs- und Verkehrsfläche von 6,2 Hektar – bei einer Zielmarke des Landes von 2,5 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030.

  • Die Landwirtschaftsfläche ist der große Verlierer

Bei gleichbleibender Bodenfläche insgesamt in Baden-Württemberg (3,57 Millionen Hektar) stieg die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 2000 bis 2021 um 50.000 Hektar, der Anteil an der Bodenfläche insgesamt von 13,2 auf 14,8 Prozent. Im Gegensatz dazu nahm die Landwirtschaftsfläche im selben Zeitraum um 66.000 Hektar ab, der Anteil an der Bodenfläche sank von 46,8 auf 44,9 Prozent. Die Waldfläche blieb nahezu unverändert. Das heißt: der Flächenverbrauch geht ausschließlich zulasten der Landwirtschaftsfläche!

  • Nachhaltigkeit / Nachhaltige Entwicklung

Gegenüber dem Drei-Säulen-Modell der Agenda 21 von Rio de Janeiro 1992 gilt heute das integrative Modell der Nachhaltigkeit. Denn der Bereich Wirtschaft ist doch ein Teilbereich der Gesellschaft – und dieser wiederum ein Teilbereich der Natur (Umwelt und Ressourcen). Müsste die Vorherrschaft Wirtschaft oder Wirtschaft plus Gesellschaft über Umwelt und Ressourcen nicht umgekehrt sein?

  • Die Bedeutung des Bodens

Böden übernehmen zahlreiche Aufgaben für Mensch, Natur und Umwelt. Die große Bedeutung des Bodens kommt mit der Beschreibung der Bodenfunktionen zum Ausdruck. Böden werden nicht in erster Linie um ihrer selbst willen geschützt, sondern wegen ihrer zahlreichen Aufgaben, die sie für Mensch, Natur und Umwelt erfüllen. Deshalb müssen Böden vor einer übermäßigen Nutzung geschützt werden, weil sie dabei im Regelfall zerstört werden und somit ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Grundsätzlich gilt: Es gibt keine guten und keine schlechten Böden. Unsere Bodenlandschaften spiegeln über Jahrtausend währende Landschafts- und Nutzungsprozesse wider, und die Erscheinungsformen sind extrem vielfältig.

  • Die Gefährdung von Böden muss unterbunden werden

In der intensiv besiedelten Fläche kommt es – wie in der intensiv genutzten Kulturlandschaft – zu zahlreichen Gefährdungen für Böden. Das reicht von mechanischen Veränderungen über stoffliche Einträge bis zum Verlust der Bodenfläche durch Siedlung und Verkehr. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen (Baugesetzbuch BauGB § 1a, Abs. 2).

  1. CHANCE?
  • Wir müssen den weiteren Ausverkauf der Landwirtschaftsfläche in Baden-Württemberg stoppen – zumindest der besten Agrarflächen!

Ziehen wir zur Begründung das Prinzip der Nachhaltigkeit heran und brechen die „Planetaren Grenzen“ im globalen Maßstab herunter – nicht auf die gesellschaftlichen Kriterien und schon gar nicht auf die ökonomischen, sondern – auf die natürliche, naturräumliche und ökologische Ausstattung unseres Landes: Was wären dann solche „Regionalen Grenzen“ in Baden-Württemberg? Neben den gesetzlich geschützten Freiraumkriterien – wie Arten, Biotope, Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete – dürften ganz oben die Agrarböden von allerhöchster Qualität stehen, entstanden seit der letzten Eiszeit vor mehr als 10.000 Jahren.

Hierzu heißt es In der neuen Verwaltungsvorschrift „VwV Standortskartierung und Bodenbilanz“ vom 31. März 2022: „Vorrangflur: besonders landbauwürdige Flächen …, die … für den Landbau und die Ernährungssicherung unverzichtbar und deshalb zwingend der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten sind.“ Trotz dieser Eindeutigkeit ist bis heute leider Fakt: für den Boden gibt es keine verbindliche gesetzliche Schutzkategorie. Auch für die besten Agrarböden gilt bei allen Planungen und Vorhaben, die landwirtschaftlich genutzte Flächen beanspruchen – wie Regionalplanungen, Bauleitplanungen und einzelne Vorhabenplanungen –, lediglich ein Abwägungsgebot und kein Ausschlusskriterium wie beim Naturschutz. Wie hier in der Praxis künftig verfahren wird, muss sich zeigen.

  1. HOFFNUNG

Meine Agenda: Beste Böden zur Ernährungssicherung und für den Klimaschutz bewahren.

  1. Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist hoch – zu hoch. Für die Siedlungsentwicklung berücksichtigt er zu wenig die natürlichen Grundlagen (bis Grenzen) – insbesondere die hohe Qualität der Agrarböden. Besonders gilt dies für geplante Gewerbegebiete!
  2. Zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen müssen Regelungen in das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) aufgenommen werden. Die „Flurbilanz“ muss zu einem verbindlichen Instrument der agrarstrukturellen Planungspraxis weiter entwickelt werden.
  3. Die guten bis sehr guten Böden der „Vorrangflur“ – und der „Vorbehaltsflur I“ – dürfen nicht länger lediglich ein leicht zu überwindendes „Abwägungskriterium“ sein, sondern sie müssen in der Planungspraxis zu einem „Ausschlusskriterium“ entwickelt werden, um Umwidmungen ausschließen zu können. Die landbauwürdigen Flächen sind für den Landbau und die Ernährungssicherung unverzichtbar und deshalb zwingend der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten.
  4. Aktive Bodenpolitik engagiert angehen. Dazu gehört auch, sparsam und schonend mit dieser zentralen ökologischen Grundlage umzugehen – gerade auch im besiedelten Bereich. Weniger Flächenverbrauch kann nur Hand in Hand mit mehr Bodenschutz gelingen. Auch eine Klimawende ist ohne fruchtbare, CO2-speichernde Böden nicht möglich.
  5. Jede Kommune, jeder Gemeinderat hat es selber in der Hand. Er braucht nicht auf neue, bessere Gesetze zu warten. Er kann im Rahmen seiner kommunalen Planungshoheit bereits heute entscheiden und seine besten Agrarböden nicht umwidmen. Die Kommunen können so einen unverzichtbaren Beitrag zur nachhaltigen, zukunftstauglichen Entwicklung leisten.
  6. Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V. (LNV) hat mit nahezu 20 weiteren Organisationen, Verbänden, Vereinen eine Unterschriftensammlung im März 2023 gestartet für einen Volksantrag „Ländle leben lassen – Flächenfraß stoppen“. Benötigt werden 40.000 Unterschriften. Dann muss der Landtag über den Antrag beraten und die Initiatoren anhören.

Meine Botschaft lautet unmissverständlich: Wir müssen auch in Zukunft die landbauwürdigen Flächen landwirtschaftlich nutzen können. Wir dürfen sie nicht umwidmen, schon gar nicht in Gewerbegebiete!

Stimmen Sie am 23. Juli mit NEIN zum geplanten Gewerbegebiet Schraienwiesen!

Literaturhinweis: Willfried Nobel: Ökologie – Eine Einführung mit Handlungsanleitungen für eine nachhaltige Kommunalentwicklung. Oekom Verlag, München, 2020. 392 Seiten, 32 Euro. ISBN: 978-3-96238-262-9.

Postkartenaktion an den Urbacher Gemeinderat

• Sprechen Sie die Gemeinderäte an! Noch ist endgültig nichts entschieden.
• Formulieren Sie Ihre Meinung, warum Sie für den Erhalt der Schraienwiesen sind, auf einer Postkarte an den Gemeinderat (das geht auch anonym), und werfen diese im Rathausbriefkasten ein.
Postkarten können hier heruntergeladen und ausgedruckt werden.

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