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Bürgerentscheid 23. Juli 2023

Wahlergebnis des Bürgerentscheids „Schraienwiesen“ vom 23.07.2023

Statement zum Wahlausgang

Die Urbacher Bürgerinnen und Bürger haben ein klares Votum abgegeben. 60 % :40 % für die Weiterentwicklung der Schraienwisen zum Gewerbegebiet.
Eine Wahlbeteiligung von über 50% zeigt, dass das Thema den Menschen wichtig ist.

Eine Mehrheit hat zwar fürs Gewerbegebiet gestimmt, 1450 Nein Stimmen können aber auch nicht ignoriert werden. Zum Vergleich: Das Stimmungsbild im Gemeinderat zu dem Thema lag
mit 17 : 2 Stimmen bei 89 % : 11 %.
Das zeigt, dass die Sache in der Bürgerschaft anders bewertet wird als im Gremium.

Im Vorfeld der Abstimmung wurde viel mit Verlustängsten gearbeitet. Die Entwicklung des neuen Gewerbegebiets wurde stets in direkten Zusammenhang mit der Ausstattung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen, dem Betrieb des Freibads, der Mediathek und dem Fortbestand der Vereinsförderung gebracht. Unsere Bürgermeisterin und wichtige Teile des Gemeinderats brachten das bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Spiel, egal ob Altengeburtstag oder Vereinshauptversammlung. Das hatte Wirkung bei vielen, die um diese Standards nun tatsächlich bangten.

Von Unternehmerseite wurde mit Abwanderung gedroht, mit Verlust von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuereinnahmen. Auf der anderen Seite werden Zukunftschancen für die Jungen versprochen in Form neuer Ausbildungs- und Arbeitsplätze vor Ort. Eine starke Wirtschaft wird sehr einseitig als die Grundlage des Wohlstands hingestellt. Die Bedeutung von Landwirtschaft und Natur wird in diesem Zusammenhang leider unberechtigt stark heruntergespielt.

Natürlich sind wir im ersten Moment enttäuscht vom Wahlausgang. Wir haben aber erreicht, dass die Menschen über das Thema nachdenken. 40 % wollen die Wiesen gern erhalten.
Darauf bauen wir auf und bleiben am Ball!

Vortrag von Prof. Dr. Willfried Nobel bei der Kundgebung an der Traktordemo am 1.7.2023

BI Schraienwiesen Urbach

Traktordemo und Kundgebung am 1. Juli 2023 in Urbach

Willfried Nobel. LNV-Referent für Flächen- und Bodenschutz. Talstr. 45, 70794 Filderstadt.

Stand: 27.06.2023

Schraienwiesen erhalten – NEIN zum geplanten Gewerbegebiet

  1. DILEMMA
  • Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist ungebrochen

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche entsprach im Jahr 2021 einem Anteil von 14,8 Prozent an der gesamten Landesfläche. Sie nahm damit nach Feststellung des Statistischen Landesamts gegenüber dem Vorjahr um 2.280 Hektar zu. Dies entspricht einer Größenordnung von rund 3.250 Fußballfeldern. Nach den Ergebnissen der Flächenerhebung ergibt sich für das Jahr 2021 rein rechnerisch ein täglicher „Flächenverbrauch“ für Siedlungs- und Verkehrsfläche von 6,2 Hektar – bei einer Zielmarke des Landes von 2,5 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030.

  • Die Landwirtschaftsfläche ist der große Verlierer

Bei gleichbleibender Bodenfläche insgesamt in Baden-Württemberg (3,57 Millionen Hektar) stieg die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 2000 bis 2021 um 50.000 Hektar, der Anteil an der Bodenfläche insgesamt von 13,2 auf 14,8 Prozent. Im Gegensatz dazu nahm die Landwirtschaftsfläche im selben Zeitraum um 66.000 Hektar ab, der Anteil an der Bodenfläche sank von 46,8 auf 44,9 Prozent. Die Waldfläche blieb nahezu unverändert. Das heißt: der Flächenverbrauch geht ausschließlich zulasten der Landwirtschaftsfläche!

  • Nachhaltigkeit / Nachhaltige Entwicklung

Gegenüber dem Drei-Säulen-Modell der Agenda 21 von Rio de Janeiro 1992 gilt heute das integrative Modell der Nachhaltigkeit. Denn der Bereich Wirtschaft ist doch ein Teilbereich der Gesellschaft – und dieser wiederum ein Teilbereich der Natur (Umwelt und Ressourcen). Müsste die Vorherrschaft Wirtschaft oder Wirtschaft plus Gesellschaft über Umwelt und Ressourcen nicht umgekehrt sein?

  • Die Bedeutung des Bodens

Böden übernehmen zahlreiche Aufgaben für Mensch, Natur und Umwelt. Die große Bedeutung des Bodens kommt mit der Beschreibung der Bodenfunktionen zum Ausdruck. Böden werden nicht in erster Linie um ihrer selbst willen geschützt, sondern wegen ihrer zahlreichen Aufgaben, die sie für Mensch, Natur und Umwelt erfüllen. Deshalb müssen Böden vor einer übermäßigen Nutzung geschützt werden, weil sie dabei im Regelfall zerstört werden und somit ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Grundsätzlich gilt: Es gibt keine guten und keine schlechten Böden. Unsere Bodenlandschaften spiegeln über Jahrtausend währende Landschafts- und Nutzungsprozesse wider, und die Erscheinungsformen sind extrem vielfältig.

  • Die Gefährdung von Böden muss unterbunden werden

In der intensiv besiedelten Fläche kommt es – wie in der intensiv genutzten Kulturlandschaft – zu zahlreichen Gefährdungen für Böden. Das reicht von mechanischen Veränderungen über stoffliche Einträge bis zum Verlust der Bodenfläche durch Siedlung und Verkehr. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen (Baugesetzbuch BauGB § 1a, Abs. 2).

  1. CHANCE?
  • Wir müssen den weiteren Ausverkauf der Landwirtschaftsfläche in Baden-Württemberg stoppen – zumindest der besten Agrarflächen!

Ziehen wir zur Begründung das Prinzip der Nachhaltigkeit heran und brechen die „Planetaren Grenzen“ im globalen Maßstab herunter – nicht auf die gesellschaftlichen Kriterien und schon gar nicht auf die ökonomischen, sondern – auf die natürliche, naturräumliche und ökologische Ausstattung unseres Landes: Was wären dann solche „Regionalen Grenzen“ in Baden-Württemberg? Neben den gesetzlich geschützten Freiraumkriterien – wie Arten, Biotope, Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete – dürften ganz oben die Agrarböden von allerhöchster Qualität stehen, entstanden seit der letzten Eiszeit vor mehr als 10.000 Jahren.

Hierzu heißt es In der neuen Verwaltungsvorschrift „VwV Standortskartierung und Bodenbilanz“ vom 31. März 2022: „Vorrangflur: besonders landbauwürdige Flächen …, die … für den Landbau und die Ernährungssicherung unverzichtbar und deshalb zwingend der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten sind.“ Trotz dieser Eindeutigkeit ist bis heute leider Fakt: für den Boden gibt es keine verbindliche gesetzliche Schutzkategorie. Auch für die besten Agrarböden gilt bei allen Planungen und Vorhaben, die landwirtschaftlich genutzte Flächen beanspruchen – wie Regionalplanungen, Bauleitplanungen und einzelne Vorhabenplanungen –, lediglich ein Abwägungsgebot und kein Ausschlusskriterium wie beim Naturschutz. Wie hier in der Praxis künftig verfahren wird, muss sich zeigen.

  1. HOFFNUNG

Meine Agenda: Beste Böden zur Ernährungssicherung und für den Klimaschutz bewahren.

  1. Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist hoch – zu hoch. Für die Siedlungsentwicklung berücksichtigt er zu wenig die natürlichen Grundlagen (bis Grenzen) – insbesondere die hohe Qualität der Agrarböden. Besonders gilt dies für geplante Gewerbegebiete!
  2. Zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen müssen Regelungen in das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) aufgenommen werden. Die „Flurbilanz“ muss zu einem verbindlichen Instrument der agrarstrukturellen Planungspraxis weiter entwickelt werden.
  3. Die guten bis sehr guten Böden der „Vorrangflur“ – und der „Vorbehaltsflur I“ – dürfen nicht länger lediglich ein leicht zu überwindendes „Abwägungskriterium“ sein, sondern sie müssen in der Planungspraxis zu einem „Ausschlusskriterium“ entwickelt werden, um Umwidmungen ausschließen zu können. Die landbauwürdigen Flächen sind für den Landbau und die Ernährungssicherung unverzichtbar und deshalb zwingend der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten.
  4. Aktive Bodenpolitik engagiert angehen. Dazu gehört auch, sparsam und schonend mit dieser zentralen ökologischen Grundlage umzugehen – gerade auch im besiedelten Bereich. Weniger Flächenverbrauch kann nur Hand in Hand mit mehr Bodenschutz gelingen. Auch eine Klimawende ist ohne fruchtbare, CO2-speichernde Böden nicht möglich.
  5. Jede Kommune, jeder Gemeinderat hat es selber in der Hand. Er braucht nicht auf neue, bessere Gesetze zu warten. Er kann im Rahmen seiner kommunalen Planungshoheit bereits heute entscheiden und seine besten Agrarböden nicht umwidmen. Die Kommunen können so einen unverzichtbaren Beitrag zur nachhaltigen, zukunftstauglichen Entwicklung leisten.
  6. Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V. (LNV) hat mit nahezu 20 weiteren Organisationen, Verbänden, Vereinen eine Unterschriftensammlung im März 2023 gestartet für einen Volksantrag „Ländle leben lassen – Flächenfraß stoppen“. Benötigt werden 40.000 Unterschriften. Dann muss der Landtag über den Antrag beraten und die Initiatoren anhören.

Meine Botschaft lautet unmissverständlich: Wir müssen auch in Zukunft die landbauwürdigen Flächen landwirtschaftlich nutzen können. Wir dürfen sie nicht umwidmen, schon gar nicht in Gewerbegebiete!

Stimmen Sie am 23. Juli mit NEIN zum geplanten Gewerbegebiet Schraienwiesen!

Literaturhinweis: Willfried Nobel: Ökologie – Eine Einführung mit Handlungsanleitungen für eine nachhaltige Kommunalentwicklung. Oekom Verlag, München, 2020. 392 Seiten, 32 Euro. ISBN: 978-3-96238-262-9.

Traktordemo für den Erhalt der Schraienwiesen am 1.7.2023

Mit 25 Traktoren und rund 60 Radfahrer*innen war der Demozug wirklich eindrücklich, wie er sich rund um die Schraienwiesen wand, dann die Schraienstrasse hochfuhr nach Urbach Nord, der gesamten Hauptstrasse nach Urbach Süd folgte, quer durch einige Wohngebiete, bis zum Ziel am Rathaus. Viele Menschen standen am Strassenrand, in den Vorgärten, auf den Balkonen und feuerten teilweise den Zug an. Das Ziel, auf die bevorstehende Abstimmung am 23.7. hinzuweisen, und die Menschen nochmal zum Nachdenken über die Sache zu bewegen, wurde auf jeden Fall erreicht!

Auf dem Hirschareal versammelten sich zahlreiche Zuhörer*innen, um die anschließende Kundgebung zu verfolgen. Prof. Dr. Willfried Nobel, Wissenschaftler und Kommunalpolitiker aus Filderstadt, der sich mit dem Thema Flächenschutz bestens auskennt, benannte die Thematik: Fläche ist bei uns NICHT geschützt, obwohl wir sehr gute Böden haben, die teilweise der besten Kategorie der Bodenbilanz angehören. Es gibt zwar Verwaltungsvorschriften des Landwirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit der Flurbilanz, doch in der Praxis wird es immer noch so gehandhabt, dass der Bodenschutz hinten runterfällt, wenn es um die Ansiedlung von Industrie und neue Wohngebiete geht. Die Industrie und das Gewerbe sind die größten Flächenverbraucher in unserem Land, hier braucht es dringend neue Lösungsansätze: Der Schutz der Böden muss gesetzlich geregelt werden. Unsere guten Böden sollten der Ernährungssicherheit dienen und der Landwirtschaft vorbehalten bleiben. Sie dürfen auf keinen Fall mehr umgewidmet werden in Baugebiete. Bisher hat das jede Kommune noch selbst in der Hand.

Darum gilt: Stimmen Sie am 23. Juli beim Bürgerentscheid mit NEIN zum geplanten Gewerbegebiet Schraienwiesen!

Redebeitrag der Bürgerinitiative zur Infoveranstaltung am 22.06.2023

Rede der Bürgerinitiative zur Infoveranstaltung am 22.06.2023

Einleitung, Vorstellung BI

Guten Abend, meine Damen und Herren, hier in der Auerbachhalle und an den Übertragungsorten. Mein Name ist Bärbel Baumgärtner. Ich spreche stellvertretend für die Bürgerinitiative Schraienwiese.

Unsere Initiative hat sich im Herbst 2021 gegründet, nachdem deutlich wurde, dass die Verwaltung und eine große Mehrheit des Gemeinderates die Entwicklung des Gewerbegebiets befürworten und vorantreiben.

Die globale Situation hat sich geändert und verlangt neue Handlungsstrategien

Die globale Situation hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Klimakrise, Erderwärmung, Trinkwasserknappheit, zunehmende Brände, Dürre, Starkregen, Überschwemmungen, Tropenhitze in den Städten, und ein verheerender Artenschwund sind die Meldungen, die uns heute beunruhigen.

(Hier sehen wir Fotos von Urbacher Wiesen im trockenen April 2020)

Wir sind zutiefst davon überzeugt – und merken das übrigens auch in vielen Gesprächen mit Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass diese Situation eine neue Denkweise von uns fordert und ein Handeln verlangt, das nicht mehr den altbekannten Mustern der letzten Jahrzehnte folgt. Wir müssen umdenken und uns darauf besinnen, was unsere wahren Ressourcen sind und wie wir sie schützen und erhalten können, für uns und nachfolgende Generationen.

Artenschutz und Ausgleich

Waren Sie in den letzten Wochen in den Schraienwiesen spazieren? Dann haben Sie die Wiesen in voller Blüte erlebt mit all der bunten Vielfalt, den Farben, dem Duft, dem Gezwitscher und Gebrumm und dem vielen wohltuenden Grün.

Planer, die sagen, sie könnten hier ein Gewerbegebiet erschaffen, das durch ökologische Aufwertungsmaßnahmen eine höhere Artenvielfalt aufweist als die Ausgangsfläche, sehen nur die einzelnen Zahlen und nicht den Wert, den diese Fläche im Gesamtzusammenhang des Ökosystems darstellt.

Sicherlich kann man theoretisch sagen, ein Ausgleich sei machbar.

Doch wo lassen sich in Urbach 10 ha Grünfläche so einfach ausgleichen? Wertvolle Wiesen, die aufgrund ihrer Artenvielfalt teilweise als Biotop geschützt sind. Wo gibt es den Platz dafür, die zerstörten Lebensräume wirklich gleichwertig wieder herzustellen?
Wenn wir nicht aufhören, Tieren und Pflanzen die Lebensräume zu nehmen, und meinen, wir könnten das mit einer äußerst fragwürdigen Ausgleichsregelung wieder richten, dann haben wir bald keine Artenvielfalt mehr, mit fatalen Folgen für das menschliche Dasein.

Ressourcen der Schraienwiesen

Es geht nicht nur darum, „ein bisschen Natur zu erhalten“, wie unser Anliegen mitunter banalisiert wird. Schauen wir uns den Wert, bzw. die Leistung der Schraienwiesen doch einmal näher an:

Auf den Wiesen kann das Regenwasser, das vom Hang herunterdrückt, hervorragend versickern. Der gewachsene Boden dient dabei als Filter. Er reinigt das Wasser von Schadstoffen und führt es dem Grundwasser zu. Grundwasserneubildung ist ein wichtiges Thema in Zeiten von zunehmender Trinkwasserknappheit!

Der Boden dient auch als Wasserspeicher und verringert die Hochwassergefahr. Unser Wasserverband wird nicht müde zu warnen, dass wir im Remstal extrem hochwassergefährdet sind.

Millionen Euros werden in den Hochwasserschutz investiert, aber wir bauen und versiegeln kräftig weiter, nicht nur in Urbach!

Das Grünland kühlt die Luft, entzieht ihr CO2 und versorgt sie mit Sauerstoff und Feuchtigkeit. Neue Beton- und Asphaltflächen, die ein Gewerbegebiet nun einmal hat (auch en klimaneutrales!), werden die Lufttemperatur zusätzlich aufheizen und die Frischluftzirkulation negativ beeinflussen. Ich bin überzeugt, die Menschen in den Mühläckern werden es am Kleinklima spüren, wenn die Schraienwiesen bebaut sind.

Erwähnenswert ist auch der wertvolle Humus der Schraienwiesen. 15.000 t CO2 sind darin gespeichert. Der Humus mit all seinen Billiarden von Mikroorganismen geht verloren bei der Bebauung. Das ist unverantwortlich in Zeiten eines dramatischen weltweiten Rückgangs der Humusmenge durch Flächenverbrauch und falschen Umgang mit den Böden. Auf den guten Böden der Schraienwiesen können jederzeit gute Lebensmittel angebaut werden. Mit einer Ackerzahl zwischen 45 und 60 Punkten gehören sie in die zweitbeste Kategorie der Bewertung. Wollen wir uns weiter abhängig machen von Lebensmittelimporten aus dem Ausland und unsere eigenen, sehr guten Böden weiter zubetonieren?

Die Schraienwiesen haben auch einen ideellen Wert. Sie dienen uns zur Erholung und Entspannung und prägen das Bild von unserer Heimat Urbach. Viele Kinder haben hier das Fahrradfahren oder Rollschuhlaufen geübt. Ältere Menschen nutzen die ebenen Wege zum Spaziergang. Meinen Sie, ein Gewerbegebiet, selbst mit qualitativ gut gestalteten Außenbereichen, könnte diese Aufenthaltsqualität wirklich ersetzen?
Ich zitiere ein Ergebnis der Bürgerbefragung im Zuge des Gemeindeentwicklungskonzeptes: „Aushängeschild der Gemeinde Urbach ist ihre ländliche und ruhige Lage mit direkter Verbindung zur Natur“. Dieser Punkt hat die meisten Nennungen bekommen bei der Frage, was man an Urbach schätzt. Die naturnahe Umgebung bedeutet Lebensqualität für die Leute. Das gilt es zu erhalten.

Arbeitsplätze

Dem Argument von mehr wohnortnahe Arbeitsplätzen entgegenen wir: Urbach hat 3296 Auspendler*Innen, dem stehen 2512 Einpendler*innen gegenüber, also gerade mal knapp 800 Personen mehr verlassen Urbach zum Arbeiten als hereinkommen. Damit hat Urbach in unseren Augen ein hohes Arbeitsplatzangebot!

Uns allen ist doch klar, dass bei den Kriterien, nach denen sich Menschen ihren Arbeitsplatz aussuchen, die Wohnortnähe eine eher nachrangige Rolle spielt. Wenn es sich ergibt, ist das wunderbar, doch es müssen auch viele weitere Rahmenbedingungen passen.

Es ist doch viel eher so, dass wir einen Fachkräftemangel haben. Ich darf in diesem Zusammenhang auf ein Interview der Schorndorfer Nachrichten vom 12.02.2023 mit dem neuen Vorstand des Urbacher Gewerbevereins hinweisen: Auf die Frage, wo den Urbacher Unternehmen der Schuh besonders drückt, folgt die Antwort kurz und bündig: „Jeder hat Personalmangel“
Wo sollen denn die Arbeitskräfte für die neu entstehenden Arbeitsplätze herkommen? Als neue Einpendler? Oder kommt dann zeitnah als nächstes Projekt ein neues Wohngebiet im Hofacker und Innenren Kreuzweg, wo aktuell weitere 8,2 ha Bebauung im Flächennutzungsplan ausgewiesen sind, weil wir so dringend Arbeitskräfte brauchen?

Gewerbesteuereinnahmen

Statt des großen allgemeinen Versprechens von mehr Gewerbesteuereinnahmen, würden wir uns vielmehr eine seriöse Wirtschaftlichkeitsberechnung wünschen. Haben Sie je die Gesamtkosten des Projektes berechnet unter Einbeziehung all der Folgekosten, die es Jahr für Jahr nach sich zieht?
Ein Rechenbeispiel des Gemeindetags sagt aus, dass von 100 € Gewerbesteuer derzeit 32,28 €, bei der Gemeinde verbleiben, das sind rd. 30%. Alles andere sind Abgaben und Umlagen, die die Kommune zu entrichten hat. Bezieht man jedoch die Folgekosten des Projekts mit ein, und das muss man, wenn man betriebswirtschaftlich seriös rechnet, so bleiben am Ende 15%. übrig. Das wären bei 1 Mio. zusätzlicher Steuereinnahmen gerade mal 150.000 €/Jahr.

Ich stelle hiermit zwei Fragen in den Raum:
– Reicht das für all die von Ihnen genannten Projekte, die Sie damit finanzieren möchten?
– Ist es diese Summe wert, dass wir dafür wertvolle Ressourcen zerstören? Müssen wir nicht vielmehr unser kommunales Wirtschaften überdenken, wenn wir es nicht mehr schaffen, ohne ständiges Weiterwachsen unsere Aufgaben zu finanzieren?

Für weitere Fragen zu diesem Thema steht Ihnen gern Dr. Thilo Sekol zur Verfügung. Er ist Betriebswirt und Experte für kommunale Finanzen, hat letztes Jahr hier in der Auerbachhalle über dieses Thema einen brillanten Vortrag gehalten, den man auf unserer Homepage gern anschauen kann. Er ist heute hier an unserem Infostand.


Flächenverbrauch

wir sind nicht gegen die Industrie und das Gewerbe und auch nicht grundsätzlich gegen das Bauen. Aber gerade deshalb, weil die Industrie in unserer Region so eine wichtige Rolle spielt, muss sie doch erst recht ihren Beitrag zur Bewahrung der Ressourcen leisten, so wie das jeder einzelne von uns auch tun muss.

Keine Frage, es stehen wichtige Transformationsprozesse an. Gerade darin liegt doch auch die Chance, in Zukunft Ökonomie und Ökologie viel mehr in einem Gleichklang zu denken und nicht gegeneinander auszuspielen, wie wir das jahrzehntelang gemacht haben.

Bauen und weiter entwickeln- ja, aber bitte zuerst im Bestand! Man muss Gebäude aufstocken, Parkflächen überbauen, Lücken schließen. Es gibt sicher sehr viele Möglichkeiten, wenn man nur will. Klimaneutralität anstreben- ja, bitte! Das begrüßen wir sehr und würden uns wünschen, dass bald auf jedem Firmendach, an den Fassaden und über den Parkplätzen PV Anlagen stehen, aber bitte im Bestand!

Natürlich werden die Maßnahmen im Bestand teurer sein als der Neubau der grünen Wiese. Doch wenn wir nicht bald gute Lösungen finden, um den Flächenverbrauch drastisch zu reduzieren, wird das langfristig für uns noch viel höhere Kosten verursachen.

Die letzten zwei Generationen haben so viel Fläche verbraucht wie 80 Generationen vor ihnen. Und es ist kein Ende in Sicht. Aktuell verbrauchen wir rd. 6,2 ha täglich in Baden- Württemberg, das sind 9 Fußballfelder, die jeden Tag zubetoniert werden mit Straßen und Gebäuden.

Wir Urbacher haben es nun in der Hand. Am 23.Juli werden wir entscheiden, ob wir 14 weitere Fußballfelder in den Schraienwiesen zusätzlich verbauen wollen.

Ich bitte Sie daher, gehen Sie zur Wahl und setzen Sie ihr Kreuz bei NEIN

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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